Rupert Lay

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Dialektik für Manager.
Methoden des erfolgreichen Angriffs und der Abwehr.

20. Auflage von Peter Gruber überarbeitet

Vorwort von Peter Gruber

Nicht alles, was eine hohe Auflage erzielt, muss von minderer geistiger Qualität sein.
Die nunmehr über 30 Jahre dauernde Freude lesender Menschen an einem der Hauptwerke Rupert Lays findet ihren Ausdruck auch in den anerkennenden Worten seines Verlegers: „Best- u n d Dauerseller“. Woran liegt es, wenn das Buch eines Fachmannes nicht zu einer literarischen Eintagsfliege wird, sondern zu einem Bestseller, einem Langzeitereignis mit dem Prädikat Dauerseller, und das mit einem Thema, dessen Bedeutung den wenigsten vor der Lektüre bewußt ist?
Ich sehe die Hauptursache in der Rupert Lay eigenen Redlichkeit begründet: redlich in der Recherche, redlich in der Absicht, redlich in der Verwendung von Sprache, redlich im akribischen Zusammenfügen der Scherben der „antiken Vase“ Dialektik. Dieses so wundervolle Gefäß menschlichen Erahnens, Erfühlens, Erkennens, Wissens und Miteinanderumgehens ist im Laufe seiner nunmehr 2500 jährigen Geschichte durch so viele Hände gewandert. Es ist auch unzählige Male in Brüche gegangen, getreu dem Gesetz des Universums, das besagt, daß alles von der Ordnung zur Unordnung strebt.

Lassen Sie mich die berühmtesten Splitter anführen, die zu einem Zerrbild der Dialektik geführt haben und die Dialektik in Verruf gebracht haben.
Doch was ist ihr Ruf? Und wer hat sie in Verruf gebracht?

Dialektik wird heutzutage von nicht wenigen mit Tricks gleichgesetzt, mittels derer man andere über den Tisch ziehen kann. Sie wird gesehen als eine Instrumentenkiste voll unfairer Methoden, die es einem Menschen ermöglichen, Menschen zu manipulieren, Verhandlungen zu dominieren, Massen zu dirigieren. Zugegeben: All das bietet Dialektik – auch.
Wer jedoch Dialektik auf das reduziert, verkennt – einseitig urteilend – ihr weites Spektrum.

Was hat zu dieser Verzerrung beigetragen?
Immanuel Kant (1724-1804) bezeichnet sie als die Logik des Scheins. Wenn nun dieser Tycoon des Denkens ein derartiges Urteil abgab, so ist es nicht verwunderlich, daß sein Schüler Schopenhauer diese Reduktion der Dialektik auf eine Kunst der Täuschung noch verstärkt: „Dialektik ist eine geistige Fechtkunst zum Rechtbehalten im Disputieren“.
Er verkürzt sie auf einen „Machiavellismus der Rede“: „Dialektik ist die Lehre vom Verfahren der dem Menschen natürlichen Rechthaberei“.
Und wenn dann noch Sir Karl Popper behauptet, das Dulden von Widersprüchen sei das Wesen der Dialektik, und sie zu dulden, bedeute das Ende des Fortschritts, nimmt es nicht wunder, daß rechtschaffene, um Wahrheit und Fortschritt bemühte Menschen sich ekelnd von der Dialektik abwenden.

Diesen entfremdenden Splittern, die das Wesen der Dialektik nicht einmal mehr erahnen lassen, möchte ich ein Bild aus den Anfängen der Dialektik gegenüberstellen, das wir Rupert Lay zu verdanken haben:
„Als Menschen über sich nachzudenken begannen, bemerkten sie schon bald, dass sie „nicht mit sich selbst identisch” sind. Am deutlichsten mag das werden in der Erfahrung, daß man anders handelt als man „eigentlich” will. Freiheit oder Vertrauen, Hoffnung oder Liebe werden nur erfahrbar zusammen mit der Erfahrung von Zwang, Mißtrauen, Verzweiflung, Hass. Wir erfahren und erleben die Dinge unseres Lebens, die uns besonders wichtig sind, nur zusammen mit ihrem Gegenteil, das als möglich zumindest vorstellbar sein muß. Wir sind nicht nur frei, vertrauend, hoffend, liebend. Auch das Gegenteil von all dem ist in uns – macht uns mit aus. Wir Menschen sind (vermutlich im Gegensatz zu den Tieren) ganz und gar mit uns selbst unversöhnt. Ich bin jedenfalls noch niemals einem Menschen begegnet, der nicht sein Leben zwischen Freiheit und Zwang, zwischen Liebe und Hass, zwischen Freude und Leid, zwischen Vertrauen und Mißtrauen, zwischen Hoffnung und Furcht, zwischen Glauben und Unglauben… gelebt hätte. Sicher überwiegt einmal das eine oder das andere – vielleicht gar scheint vorübergehend nur eine Seite zu sprechen, doch niemals in diesem Leben können wir dem Dazwischen entfliehen. Wir sind ganz und gar Wesen des Dazwischen. Wenn wir uns selbst suchen (oder auch einen anderen Menschen), müssen wir die Kunst beherrschen, „dazwischen zu sehen”, weil wir allemal im Dazwischen leben. Die Griechen prägten für diese Kunst des Dazwischensehens, des Dazwischenstehens das Wort Dialektik.”(aus „Führen durch das Wort“)

Dialektik ist für Lay etwas ganz Alltägliches, etwas ganz und gar Menschliches. „So kann man sie nicht eigentlich lernen – man kann nur aufmerken, sehen lernen, achten auf Gesetzmäßigkeiten, denen viel menschliches Tun unterworfen ist, um es wacher, erfolgreicher, menschlicher zu tun. So kann Dialektik denn auch helfen, etwas, das man alltäglich tut, bewußter, verantworteter und humaner geschehen zu lassen.“

Nicht nur die Ästhetik seiner Worte, sondern die Rückführung zu den „reinen“ Ursprüngen der Dialektik sind das Verdienst dieses meines Erachtens führenden Dialektikers unserer Zeit. Für diesen halte ich ihn, da er Dialektik nicht nur als Die Kunst des Überzeugens lehrt, trainiert und anwendet, sondern weil er es war, der die zweite Seite der Dialektik im Jahr 1990 wieder publiziert hat: Die Kunst, herrschaftsfrei Probleme zu lösen. Dieser Teil der Vase war Jahrhunderte lang verschollen.

Seine Wiederentdeckung durch Lay verdanken wir Frau Anneliese Meyer, Leiterin der Bibliothek des Vatikans als Rupert Lay ebenda an seiner Habilitationsarbeit schrieb. Sie lenkte sein Interesse auf eine Wand in der Bibliothek, in der sich noch unübersetzte Rollen aus dem literarischen Schatz des Mittelalters befanden. Lay nutzte die Gelegenheit und öffnete für sich und uns das Tor zu einem der wertvollsten Vermächtnisse für ein menschlicheres Miteinanderumgehen, das Tor zur Dialektik. Er hat den Haupteingang gefunden, der in den Hauptsaal führt, von dem aus man nach Lust, Laune und Interesse gut orientiert in die Nebenräume gelangen kann. In diesen treffen wir dann auf die „Splitter“-Gruppen mit Kant, Schopenhauer, Marx, Popper, etc. Wenn auch Jürgen Habermas den herrschaftsfreien Diskurs wieder in das allgemeine Bewußtsein gebracht hat, so verdanken wir doch Lay die deutlichen und praktischen Hinweise auf die Bedeutung des Wertes des Miteinanders. Er hat durch das Erstellen von „Alphabet, Semantik, Grammatik und Syntax“ ein Regelwerk geschaffen, das uns ermöglicht, die Vase in ihrer ganzen Schönheit zu sehen und sie für unsere Zwecke individuell zu gebrauchen.

Lays nimmermüdes Arbeiten an der Verbesserung des Zwischenmenschlichen in Unternehmen, sei es als Berater, als Trainer, als Aufsichtsrat hat die Dialektik in den von ihm beeinflußten Personen und Systemen zu einem unverzichtbaren Instrument wachsen lassen. Ein Instrument, das, durch die Laysche Verknüpfung mit Ethik aus seiner jahrhundertelangen Reduktion auf seine Funktionalität befreit, nun zu einem Mittel fach- und personenorientierter

Handlungsethik für mehr Menschlichkeit und Leistung, Vertrauen und Zutrauen, Zivilcourage, Toleranz und Autonomie entwickelt worden ist.